Museum-Rundgang

Raum 1: Geschichte

Teil 1 Transmigration = Deportation

Pro­tes­tan­ten­ver­fol­gung und –aus­trei­bung aus dem Salz­bur­gi­schen durch Fürst­erz­bi­schof Fir­mi­an; Unru­hen in allen öster­rei­chi­schen Erb­län­dern, Bekennt­nis der bis dahin heim­li­chen Pro­tes­tan­ten zum Luther­tum.

Ver­bot der frei­en Aus­wan­de­rung aus Grün­den der Staats­rai­son.

Stel­lung der Kryp­top­ro­tes­tan­ten unter den Sta­tus Irr­gläu­bi­ger und Sek­tie­rer als poli­ti­sche Recht­fer­ti­gung für die begin­nen­de gewalt­sam durch­ge­führ­te Trans­mi­gra­ti­on nach Sie­ben­bür­gen.

Karo­li­ni­sche Trans­mi­gra­ti­on: knapp 1000 Per­so­nen aus dem Salz­kam­mer­gut und Kärn­ten wer­den nach Sie­ben­bür­gen depor­tiert.
Am 29. Juni 1734 geht der ers­te Trans­port von Goi­sern weg.Diese Depor­ta­ti­on betraf über 600 Per­so­nen aus dem Salz­kam­mer­gut, über 400 aus Goi­sern, über 100 aus Hall­statt / Ober­taun, knapp 90 aus Ischl, 30 aus Gos­au und eini­ge aus Lauf­fen.

The­re­sia­ni­sche Trans­mi­gra­ti­on von etwa 3000 Kryp­top­ro­tes­tan­ten aus dem Lan­de ob der Enns, aus Kärn­ten und der Stei­er­mark. Ein Drit­tel der Trans­mi­gran­ten über­leb­ten den Trans­port und das ers­te Jahr in der Frem­de.

Die Siebenbürger Sachsen

Sie sind eigent­lich die Nach­kom­men von Rhein­län­dern, Mosel­fran­ken, Nie­der­län­dern. Im 12. Jhdt. wur­den  sie vom Ungarn­kö­nig Geza II. ins Land (Trans­syl­va­ni­en) geru­fen, um die Ver­tei­di­gung gegen öst­li­che Rei­ter­völ­ker zu über­neh­men.
Als die öster­rei­chi­schen Trans­mi­gran­ten im 18. Jhdt. nach Sie­ben­bür­gen depor­tiert wur­den, fand ihre Ansied­lung bei den Sach­sen nicht sofort all­ge­mei­ne Zustim­mung.

Die Landler in Siebenbürgen

Land­ler nen­nen sich die Nach­kom­men jener Pro­tes­tan­ten des 18. Jhdts, die aus Kärn­ten und der Stei­er­mark, dem Salz­kam­mer­gut und Ober­ös­ter­reich wegen ihres Glau­bens unter Karl VI. und Maria The­re­sia nach Sie­ben­bür­gen ins heu­ti­ge Rumä­ni­en ver­bannt wur­den und die dort als eth­ni­sche Grup­pe mit eige­ner kul­tu­rel­ler Iden­ti­tät die geschicht­li­che Land­schaft Sie­ben­bür­gens über zwei Jahr­hun­der­te mit­ge­prägt haben.

Die Land­ler leb­ten vor allem in Nep­pen­dorf (Tur­ni­s­or), Groß­au (Cris­ti­an) und Groß­pold (Apol­do de Sus) in der Nähe der säch­si­schen Pro­vinz­haupt­stadt Her­mann­stadt (Sibiu).

Teil 2 Das Schicksal der Siebenbürger Landler

Ab 1734 wur­den Pro­tes­tan­ten aus Kärn­ten, Stei­er­mark und vor allem Ober­ös­ter­reich ihres Glau­bens wegen nach Sie­ben­bür­gen depor­tiert. Mehr als 200 Jah­re lang ruh­te die Erin­ne­rung an das Schick­sal der “Trans­mi­gran­ten”, die sich selbst Land­ler nann­ten, in den Tru­hen der öster­rei­chi­schen Geschich­te.

Das Land­ler-Muse­um wur­de 1992 in Bad Goi­sern eröff­net. Sei­ne Grün­dung ist der Pri­vat­in­itia­ti­ve der begeis­ter­ten Volks­kund­le­rin Lore-Lot­te Hass­fur­ther zu dan­ken. Die Wie­ne­rin nahm in den acht­zi­ger Jah­ren aktiv an der Sie­ben­bür­gen­hil­fe teil. Damals leb­ten noch über 4000 Land­ler in drei Dör­fern bei Her­mann­stadt (Sibiu). Sie gaben den Hel­fern aus Öster­reich, die sie mit Lebens­mit­teln und Medi­ka­men­ten ver­sorg­ten, als Gegen­ga­be Tex­ti­li­en und Trach­ten­stü­cke, die so in ihre “Urhei­mat” gelang­ten.

Im Land­ler­mu­se­um Bad Goi­sern wer­den Erin­ne­run­gen gesam­melt an eine klei­ne Volks- Gemein­schaft, die über Jahr­hun­der­te hin­weg einen stren­gen Sozi­al­ko­dex, ihre natio­na­le und kul­tu­rel­le Iden­ti­tät bewahr­te. Es bedurf­te einer so aus­ge­zeich­ne­ten Volks­kund­le­rin und Muse­ums­exper­tin wie der Rumä­ni­en­deut­schen Irm­gard Sed­ler, um in die­sen engen Raum­ver­hält­nis­sen genau das rech­te Maß zu fin­den.

Vaterland, Mutterland und Heimat

Die Aus­stel­lung will vor allem bewusst machen, wie sich die Land­ler in ihrer neu­en Hei­mat ein­ge­fügt haben, ohne sich doch völ­lig zu assi­mi­lie­ren. Es sind die drei Begrif­fe Vater­land, Mut­ter­land und Hei­mat, an denen sich das auf­schlüs­seln lässt:

  • Vater­land war der Staat in dem man leb­te, dem man Loya­li­tät ver­sus Frei­heit ver­spro­chen hat­te.
  • Mut­ter­land war die Bezie­hung zur Kul­tur. Die Bewah­rung der Mund­art.
  • Die Klei­dung wur­de zur eth­ni­schen Bekennt­nis­tracht.
  • Hei­mat war der geo­gra­phi­sche Raum in Sie­ben­bür­gen.

Sed­ler ist es gelun­gen, durch eine geschick­te Aus­wahl und Auf­stel­lung der Expo­na­te, dem Besu­cher die­se Säu­len des Land­ler­tums zu ver­ge­gen­wär­ti­gen. Der Muse­ums­be­such wird zu einer Ent­de­ckungs­rei­se in einen mul­ti­kul­tu­rel­len Raum, in dem die vie­len ver­schie­de­nen Völ­ker ein­an­der gege­ben und von ein­an­der genom­men haben.
Nur ein Bei­spiel: Wäh­rend bei uns Möbel und Bil­der domi­nie­ren­de Ele­men­te der Wohn­kul­tur waren, über­nah­men als unmit­tel­ba­re Fol­ge des Ein­flus­ses des Ori­ents die­se Rol­le in Sie­ben­bür­gen die Tex­ti­li­en.

Geschichtlicher Überblick

Refor­ma­ti­on und Gegen­re­for­ma­ti­on – sie waren Kräf­te, die im 16., 17. und 18. Jh. eine gewal­ti­ge Wir­kung aus­üb­ten, und dies nicht allein auf reli­giö­sem Gebiet. So sehr war in jenen Zei­ten Macht und Reli­gi­on ver­bun­den, ja durch sie abge­si­chert, dass die Erneue­rung des Chris­ten­glau­bens die wich­tigs­ten Lebens­ge­bie­te beein­flusst und ver­än­dert hat. Spä­tes­tens seit dem Augs­bur­ger Reli­gi­ons­frie­den 1555 wird die Kon­fes­si­on zu einem Instru­ment des sich aus­bil­den­den regio­na­len Abso­lu­tis­mus.

Erst­mals im reichs­un­mit­tel­ba­ren Fürst­erz­bis­tum Salz­burg führ­te die Anwen­dung des Prin­zips von Augs­burg und von Osna­brück (West­fä­li­scher Frie­den 1648) “cui­us regio, eius reli­gio” zur Aus­trei­bung oder Aus­wan­de­rung der­je­ni­gen Men­schen, die sich zu dem Glau­ben des Lan­des­her­ren nicht bekeh­ren lie­ßen, also der Pro­tes­tan­ten. 1731/32 ver­trieb Leo­pold von Fir­mi­an durch sein Emi­gra­ti­ons­pa­tent Anhän­ger der Augs­bur­gi­schen Kon­fes­si­on aus sei­nem Hoheits­ge­biet unter dem Vor­wand, sie sei­en Rebel­len. Dazu erbat und erhielt er mili­tä­ri­sche Unter­stüt­zung von Karl VI. Die­sem wur­de dabei klar, dass sei­ne Herr­schafts­be­rei­che durch sol­che Mas­sen­ver­trei­bun­gen eine sehr gro­ße Zahl tüch­ti­ger Unter­ta­nen, “Kon­tri­buen­ten”, also Steu­er­zah­ler, an sei­nen bedeu­tends­ten Riva­len, Fried­rich Wil­helm I von Preu­ßen, ver­lo­ren.

Damit kommen wir nun zur Deportation von Protestanten unter Karl VI aus den habsburgischen Ländern unter der beschönigenden Bezeichnung “Transmigration”.

In den Jah­ren 1734–1737 unter Karl VI, wur­den über 600 Men­schen nach Sie­ben­bür­gen depor­tiert (410 aus  Goi­sern, 122 aus Hallstatt/Obertraun, 82 aus Ischl, 27 aus Gos­au und 6 aus Lauf­fen). Die aus dem Salz­kam­mer­gut stam­men­den “Trans­mi­gran­ten” wur­den in Nep­pen­dorf, Groß­au und Groß­pold ange­sie­delt. Die­se Gemein­den hat­ten durch Tür­ken­ein­fäl­le und Kuruz­zen­krie­ge und durch Pest­epi­de­mien sehr vie­le Ein­woh­ner ver­lo­ren.

Ab 1740 rich­te­te Maria The­re­sia, die Toch­ter Karls VI., ihr Augen­merk auf die Fra­ge der Glau­bens­ein­heit ihrer Unter­ta­nen, also die Bekämp­fung des Pro­tes­tan­tis­mus. 1752 bis 1756 erfolg­ten zahl­rei­che Trans­mi­gra­tio­nen, in deren Ver­lauf über 2000 Men­schen aus dem “Landl”, etwa dem Gebiet zwi­schen Wels, Gmun­den und Vöck­la­bruck, und mehr als 1100 aus Inner­ös­ter­reich, d.h. aus Kärn­ten und der Stei­er­mark, nach Sie­ben­bür­gen depor­tiert wur­den.

Zur Abwick­lung der Trans­mi­gra­tio­nen wur­de 1754 in der Vor­stadt von Her­mann­stadt ein gro­ßes Gebäu­de errich­tet, das The­re­sia­num. Vor die­sem Bau­werk erin­nert ein Denk­mal an sei­ne Grün­de­rin Maria The­re­sia.

Besonderheiten

In den Land­ler­ge­mein­den Nep­pen­dorf, Groß­au und Groß­pold ver­misch­ten sich die Neu­an­kömm­lin­ge vor­erst nicht mit den dor­ti­gen Sie­ben­bür­ger Sach­sen. So ist der öster­rei­chisch-deut­sche Dia­lekt, das Land­le­ri­sche, bis heu­te erhal­ten geblie­ben und wird sowohl bei den nach Deutsch­land aus­ge­wan­der­ten als auch von den weni­gen in den land­le­ri­schen Dör­fern ver­blie­be­nen Land­lern gepflegt. In zwei Gemein­den, in Groß­pold und in Nep­pen­dorf, stell­ten die Land­ler mit der Zeit die Mehr­heit der deutsch­spra­chi­gen Bewoh­ner.

Wende 1989/1990

Nach der “Revo­lu­ti­on” und dem Macht­wech­sel in Rumä­ni­en zur Jah­res­wen­de 1989/90 und der dar­auf erfolg­ten Öff­nung der Gren­zen ver­lie­ßen an die 150.000 Deut­sche in weni­gen Mona­ten ihre jahr­hun­der­te­al­te Hei­mat und über­sie­del­ten in den “Gol­de­nen Wes­ten”, der so gol­den auch wie­der nicht ist. Die Land­ler, genau­so wie die Sie­ben­bür­ger Sach­sen, haben kei­nen gemein­sa­men Lebens­raum mehr. Sie leben ver­streut in der gan­zen Welt, die Mehr­heit von ihnen in Deutsch­land und eini­ge in Öster­reich.

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